Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei allen Empfehlungen nur um Tipps handelt, aus denen keinerlei Haftungsansprüche abgeleitet werden können.
Feuerwehreinsatz bei Acetylenflaschen
Merkblatt der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes e.V.
Empfehlungen für den Feuerwehreinsatz bei Acetylenflaschen (April 2000)
Brennende oder einem Brand ausgesetzte Acetylenflaschen stellen eine besondere Gefahr dar. Zur Vermeidung größerer Schäden ist es erforderlich, dass die Feuerwehr Gefahren und Risiken kennt und sich taktisch richtig verhält.
Das Referat 10 der vfdb hat den Stand der Technik in dem vorliegenden Merkblatt zusammengefasst und für die Feuerwehren aufbereitet.
Allgemeines:
Eigenschaften:- Hochentzündlich; Zündtemperatur > 325 oC
- Unter Druck (ca. 8,5 bar) in Aceton gelöstes Gas
- Geringfügig leichter als Luft (C2H2), Dichteverhältnis 0,9
- Achtung: Zersetzungsgefahr, weil instabil!!
- Explosionsbereich ca. 1,5 - 82 Vol.%
- Je nach vorgefundener Lage (s.u.) höchste Berstgefahr für die Acetylen-Druckgasbehälter, dann Druckwelle und Bildung eines Feuerballs (Durchmesser bis zu ca. 30 m) mit bis zu 300 m weit fliegenden Metallteilen
Erkennungsmerkmale:
- meist unangenehmer, knoblauchartiger Geruch
- Flaschenfarbe: gelb bis zum Jahr 2006; seit 1998 kasta-nienbraun (mindestens Flaschenschulter)
- Flaschenverschluss: Bügelverschluss, ovales Handrad
- Flaschen haben keinen hohlen Klang (wegen der Füllmasse)
- UN-Nr. 1001
- Gefahrnummer 239 (Entzündbares Gas, das spontan zu einer heftigen Reaktion führen kann)
- Gefahrzettel 3 (rot mit Flammensymbol)
Nachweis:
- Geruch
- Ex-Messgerät
- Prüfröhrchen z.B. Benzinkohlenwasserstoff
Merkmale einer Acetylenzersetzung:
- Temperatur der Flaschenwand steigt ohne äußere Einwirkung (bei Flammenrückschlag beginnend am Flaschenkopf)
- Beim Brand am Ventil oder Druckminderer keine hell leuchtende gelbe Flamme, sondern Verfärbungen bzw. Ruß oder Qualm innerhalb der Flamme erkennbar
- Ausströmendes Gas riecht abnormal bzw. entströmt ungleichmäßig
Achtung:
Plötzlicher Stop des Gasaustritts (kein Zischgeräusch mehr) bedeutet in den meisten Fällen Verstopfung des Ventils, nicht aber Entleerung!
Maßnahmen:
Es halten sich grundsätzlich nur die unbedingt erforderlichen Einsatzkräfte in der näheren Umgebung der betroffenen Gasflasche auf!
Sicherheitsabstand:Unter Ausnutzung „stabiler“ Deckung (muss auch Flaschenteilen standhalten): Für Einsatzkräfte unter Atemschutz und mit geeigneter Hitzeschutzkleidung: ca. 20 - 30 m; dient dem Kühlen aus der Deckung.
Gefahrenbereich:
Direkt angrenzende Gebäude sowie im Freien einen Um-kreis von ca. 300 m sofort räumen! Einsatzkräfte können sich bis auf > 50 m nähern, wenn Deckungsmöglichkeiten vorhanden sind und ihr Einsatz erforderlich ist (hängt vom Straßenverlauf, der Bebauung etc. ab) für weiter entfernt lie-gende Gebäude innerhalb des Räumungsradius gilt: Men-schen halten sich auf der abgewandten Seite der Einsatzstelle auf.
- Wegen der Zersetzungsgefahr sind Gasflaschen-Bergebehälter für Acety-lenflaschen ungeeignet und nicht zugelassen!
- Flaschen möglichst nicht erschüttern!
- Nie versuchen, Actylenflaschen bei einem Ventilschaden mit einer Dicht-einrichtung (z.B. für Chlorgasflaschen) dicht zu setzen, da Explosionsge-fahr!
Hinweis: Von dem Acetylenflaschenzerknall mit Todesfolge in Salzburg ist bekannt, dass sich kurz vor dem Zerknall die Tonlage des ausströ-menden Gases von einem “eher dumpfen Grollen zu einem ohren-betäubend hohen Pfeifen” geändert hat.
Austritt von Acetylengas - nicht brennend:
- Höchste Explosionsgefahr in geschlossenen Räumen
- Umgebung räumen
- Zündquellen vermeiden
- Flasche auf Erwärmung (= Zersetzung) prüfen. Die Prüfung auf Erwärmung sollte bei Unsicherheit über den Wärmezustand mit Messgeräten (z.B. Wärmebildkamera, Fernthermometer) bzw. durch die Aufgabe von Wasser aus der Entfernung erfolgen. Bei schneller Abtrocknung MUSS auf eine Prüfung mit der Hand verzichtet werden!!)
- Wenn Flasche kalt und reines Gas entweicht, Flaschenventil schließen
- Flaschenerwärmung prüfen, wenn mehr als "warm" -> kühlen!
- Fenster/Türen etc. öffnen (zur Be- und Entlüftung und als Druckentlastungsöff-nungen)
- Raum be-/entlüften. Ex-Gefahr prüfen
- Bei ungehindertem Gasaustritt gibt die Acetylenflasche ihren Inhalt innerhalb kurzer Zeit ab und führt so in der Umgebung zu einer latenten Explosionsgefahr.
Das darauf folgende “Nachgasen” bedeutet nur dann eine (zusätzliche) Gefahr, wenn die Flasche über längere Zeit in einen kleinen geschlossenen Raum ge-bracht wird. Ggf. regelmäßig Ex-Messung durchführen.
Austritt von Acetylengas - brennend:
- Gefahrenbereich räumen
- Flammenrückschläge vom Brenner her sind unwahrscheinlich
- Nur wenn die Flamme (am Ventil) "sauber" brennen sollte, darf das Ventil ge-schlossen werden
(Diese Anweisung gilt in erster Linie für Schweißer und kommt praktisch als Sofortmaßnahme für die Feuerwehr nicht in Frage!) - Flaschen, die länger als ca. 60 s am Ventil brennen, nicht mehr manipulieren!
Flasche ausbrennen lassen -> kühlen aus der Deckung!
Bei Verdacht einer Acetylenzersetzung: Alternativ aufschießen (siehe unten)
Kühlen von wärmebeaufschlagten Acetylenflaschen:
- Bei sehr schneller - auch nur punktueller ! - Temperaturerhöhung ist das bal-dige Bersten innerhalb weniger Sekunden wahrscheinlich!
- Durch Kühlen (bis 24 h) bestehen sehr gute Aussichten, einen evtl. Acetylen-Zerfall zu stoppen
- Fenster/Türen etc. öffnen (zur Be- und Entlüftung und als Druckentlastungsöffnungen)
- Aus Deckung (Sicherheitsabstand!) heraus mit größtmöglichem Sicherheitsab-stand zunächst mit starkem, später sanftem Sprühstrahl mind. 30 min kühlen. Wenn möglich unbemannten Monitor einsetzen
- Prüfen, ob die Flasche kühl bleibt: Kühlen kurz einstellen, prüfen ob der Flaschenmantel zu schnell trocken wird, ggf. Wärmebildkamera oder Fernthermometer einsetzen, das Kühlen für 5 - 10 min unterbrechen. In Ermangelung technischer Hilfsmittel: Temperaturkontrolle mit der Hand
- Bleibt die Flasche kalt, kann die Flasche geborgen und in ein Wasserbad (Ventil möglichst höher als der Flaschenfuß gelagert) gelegt werden.
Nur wenn dies vor Ort nicht möglich ist (z.B. in einem Wohngebiet), kann die Flasche in einem Wasserbad an einen sicheren Ort verbracht werden und dort unter fortwährender Kontrolle über 24 Stunden weiter gekühlt werden. - Flaschenbündel mindestens 24 h kühlen!
- Bei Flaschenbündeln sicherstellen, dass möglichst auch die inneren Flaschen bzw. die Zwischenräume des Bündels erreicht werden (z.B. mit Wasserwerfern von oben beregnen)
- Flaschenbündel nicht zerlegen, da durch Abbrand von Leitungen partielle Flaschenerwärmungen mit folgender Acetylen-Zersetzung verursacht worden sein könnten und dies von außen nicht festzustellen ist!
Aufschießen von Acetylenflaschen
Nach Erfahrungen aus Schweden und Deutschland können brennende und/oder erwärmte Acetylenflaschen aus der Deckung heraus und in einem Sicherheitsabstand von mind. 50 m mit Gewehren aufgeschossen werden. Sie zerbersten dabei nicht, sondern brennen aus!
Dies darf aber nur von geeigneten Personen (z.B. Scharfschützen der Polizei) mit geeigneten Waffen und geeigneter Munition im Freien und in ausreichen-der Entfernung von Personen/Gebäuden durchgeführt werden!
Die Flaschen sind dann mehrfach an verschiedenen Stellen über die Länge des Mantels, nahezu punktgenau mittig (zur Verhinderung von Querschlä-gern!) aufzuschießen.
Werden Flaschen angeschossen, so muss die sofortige Zündung des ausströmenden Acetylens sichergestellt sein. Dies erfolgt mit geeigneter Munition oder mit Spreng-/Blendgranaten mit Fernzündern.
Umliegende gefährdete Objekte sind in Absprache mit den Schützen zu räumen bzw. zu sichern.
Alle Einsatzkräfte begeben sich in einer Entfernung von mindestens 50 m von der Flasche in Deckung!
Folgemaßnahmen:- Flaschenbündel nicht zerlegen (mind. 24 h kühlen)
- Flaschen nach einem Brand/Zersetzung entsprechend kennzeichnen
- Flasche ins Füllwerk überführen (lassen)
- Besitzer
- Lieferant/Hersteller
Quellen:
- BMA: Technische Regeln für Acetylenanlagen und Calciumcarbidlager (TRAC), Bek. des BMA vom 1. Dezember 1998, III c 2-35492-1, in: Bundesarbeitsblatt 01/1999
- BMA: Merkblatt zur Verhütung von Acetylenflaschen-Explosionen, Anlage zur TRAC 208, in: Bundesarbeitsblatt 01/99
- Cimolino (Hrsg.): Einsatzleiterhandbuch Feuerwehr; Ecomed Verlag, Landsberg/Lech Stand 2000
- Forschungsbericht der BAM in: vfdb Zeitschrift 2/95
- Aschenbrenner, D.; Cimolino, U. und Völker, F.: E: Explosionsgefahr durch Acetylen, in: brandschutz, 8/97, Kohlhammer Verlag
- Klingsohr, Brennbare Flüssigkeiten und Gase; Rote Hefte Nr. 41, Kohlhammer Verlag
- Knorr, Gefahren der Einsatzstelle; Rote Hefte Nr. 28, Kohlhammer Verlag
- Rönnfeldt, J. und Voss, S.: Beschuß von zerknallgefährdeten Acetylengasflaschen, in BRANDSCHUTZ 2/99, Kohlhammer Verlag
- vfdb – Referat 10: Protokoll der 30. Sitzung, München, 1994 (nicht veröffentlicht)
- Widetschek, Dr. Otto: Diverse Veröffentlichungen in der österreichischen “blaulicht” sowie Fachvortrag bei Gefahrgutseminar Heyrothsberge 11/97.
Empfehlung für den Feuerwehreinsatz bei Gefahr durch Acetylen
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